Komponist und Musiktheoretiker, Leiter des Instituts für Haydn- und Lisztforschung an der Joseph Haydn Privathochschule für Musik in Eisenstadt

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„Neue Musik“

„Kunst kommt nicht von Können, sondern von Müssen“, schrieb Schoenberg vor gut hundert Jahren. Was damals den unbedingten Ausdruckswillen des berufenen Künstlers erklären wollte, der sich auf seiner Suche nach neuen Wegen nicht um Konventionen und Meinungen schert, erklärt auf unbeabsichtigt treffliche Weise den heutigen Zustand der „Neuen-Musik-Szene“ – und nicht nur dieser.

Dass auch in der Kunst das Können (also die Beherrschung des Handwerks) Grundlage sein sollte, um etwas von sich geben zu „müssen“, ist schon lange keine Selbstverständlichkeit mehr. Vielmehr rühmen viele „Künstler“ ihre Absenz von professioneller Bildung als unkonventionelle Frische und individuellen, neuartigen Zugang an die Materie. Diese absichtsvoll missverstandene „Freiheit der Kunst“ hat letztere zur Schaubühne der öffentlichen Präsentation eines pathologischen Zustandes gemacht, denn:

„müssen“ aber nicht „können“ wird Obstipation genannt.

Rezipienten, die sich redlich für das Neue in der Kunst interessieren und sich dafür öffnen, werden so großteils mit geistiger Verstopfung konfrontiert! (wenn auch die klanglichen Erscheinungen mancher zeitgenössischer Werke an eine sehr gut funktionierende Darmtätigkeit erinnern.)

Das historisch verständliche aber obsolet gewordene „l`art pour l`art“ hat eine lange Phase des Experimentierens nach sich gezogen, die keine großartigen Ergebnisse gezeigt hat, aus der wir aber nun schon seit über fünfzig Jahren nicht herauskommen – ein andauerndes Pubertieren, an dem krampfhaft festgehalten wird, da es im Namen des Fortschritts (was auch immer das in der Kunst bedeuten soll) plötzlich auch Kleingeistern möglich ist, „Kunst“ zu „machen“. Dass dieser Zustand noch immer anhält liegt nicht nur am „Kunst-Lobbyismus“ sondern auch an einem entsprechend un- bzw. missgebildeten Publikum, das erfolgreich verunsichert wird im Anspruch, seine Bedürfnisse (movere – docere – delectare) in der Kunst befriedigt zu finden – und sich deshalb gezwungen sieht, „des Kaisers neue Kleider“ schön zu finden. So zeigt sich der Teufelskreis als Karussell am Jahrmarkt der Eitelkeiten und dreht sich immer weiter – mit Kunst hat das aber nichts zu tun.